EML

Die 1972 von Hennie Winkelhuis gegründete Firma EML hat maßgeblich zur Evolution der Straßengespann beigetragen und damit lange Jahre den westeuropäischen Beiwagenmarkt dominiert. Zwischenzeitlich lag die jährliche Produktion bei etwa 800 Einheiten pro Jahr. Ab den 2000er-Jahren gingen die Stückzahlen aus mehreren Gründen massiv zurück. Wie viele Umbaukits und Beiwagen EML insgesamt weltweit verkaufte, lässt sich nicht mehr ermitteln.

Der 1973 mit seinem Bruder Falk bereits dreimal zum Deutschen Geländemeister avancierte Horst Hartmann motivierte seinen niederländischen Fahrwerklieferanten Hennie Winkelhuis auch zulassungsfähige Straßengespanne zu bauen.

Als Basismaschine für dieses Projekt sollte eine BMW R 90/6 herhalten. Nach eingehender Prüfung des Ovalrohrrahmens kam das Tüftler-Duo zu dem Schluss, den Boxer in ein eigenes Fahrgestell zu betten. Dieses unterschied sich vom Solo-Pendant zunächst in der Rohrstärke und einem durchgängig runden Rohrquerschnitt. Das Heck war angeschweißt, der Bereich des im Anstellwinkel variierten Lenkkopfes durch zusätzliche Knotenbleche versteift.

Viel gerätselt wurde über die Bedeutung der Buchstaben EML. Tatsächlich entstand die Buchstabenkombination aus dem niederländischen "eigenmakelij", was "selbst gemacht" bedeutet.

Das erste Gespann aus Eibergen lief auf Drahtspeichenrädern mit 19 Zoll vorne, 18 Zoll hinten und 16 Zoll am Boot, die maschinenseitigen Räder waren trommelgebremst. Doch bereits 1974 experimentierten EML und Hartmann – und das war die eigentliche Revolution im Seriengespannbau – mit 15-zölligen Drahtspeichen- und Gussrädern für langlebige Reifen aus dem Automobilsektor. 1975 brachte das Unternehmen spezielle Räder mit acht Rohrspeichen in der 15-Zoll- und sechs in der 12-Zoll-Version. Dabei gab es die 15-Zöller zunächst in der Variante 3.00 D für Schlauchreifen. Später folgten die bis 1991 gefertigten Räder in 3J x 15 H2 für schlauchlose Bereifung in der Größe 125 SR 15. Ab 1984 setzte Winkelhuis dann auf Verbundräder aus eigener Fertigung, auch weil Kritik an der Dauerhaltbarkeit der Rohrspeichenräder aufkam.

Werksintern liefen die EML-Fahrwerke der ersten Serie bis 1981 unter dem Kürzel HW1, wobei die Buchstaben für Hennie Winkelhuis stehen. Deshalb fielen die Rahmen jedoch nicht über den gesamten Zeitraum identisch aus. Zunächst waren sie so ausgelegt, dass die Räder exakt fluchteten. Für die breiteren Pkw-Reifen reichte dann jedoch der Platz in der Hinterradschwinge nicht, das Rad musste außermittig eingespeicht und das Kardangehäuse im Reifenbereich geändert werden.

Als HW2 verfügten die EML-Rahmen über eine klappbare Sitzbank, die Scheibenbremse am Hinterrad basierte auf den /6- und /7-Modellen von BMW. Für die Monoschwingen-Boxer entwarf Winkelhuis 1984 ein völlig neues Fahrwerk mit angeschraubtem Heck. Dabei wurde die hintere Einarmschwinge durch ein zweiarmiges, um fünf Zentimeter längeres Pendant ersetzt. Für die vordere Schwingengabel verwendete EML nun die BMW-Gabelbrücken mit Kegelrollenlagern weiter. Bereits ab 1977 produzierte EML eigene Bremszangen, ab 1987 auch eigene Federbeine als Ersatz für die zuvor verwendeten Koni.

In kleinem Rahmen leistete sogar Daimler-Benz einen Beitrag zum EML-Fahrwerk. Bis Winkelhuis 1987 mit der Eigenproduktion begann, verbaute er Lenkungsdämpfer der Mercedes-Baureihe W 123. Eine preisgünstige, aber kompromissbehaftete Lösung: Das Hydraulikelement machte die Lenkung sehr stramm und damit unsensibel.

Neben der R 90/6, mit der Winkelhuis und Hartmann am Nürburgring debütierten, lief ein aus Stahlblech gefertigter Einsitzer namens "Tour". Er war dem klassischen Steib TR 500 nachempfunden, besaß aber ein hoch gezogenes Heck. Das hielt Verwirbelungen besser ab und gewährte mit 105 Litern Stauraum mehr Platz für Gepäck. Doch weil Stahlblech-Karosserien in Kleinserien nicht so rationell wie Polyesterboote herzustellen waren, schwenkte EML bereits nach sechs Blechbooten auf GFK-Pendants um, die anfangs von einem Zulieferer hergestellt wurden.

Mit dem Umzug ins benachbarte Neede konnte EML die Beiwagen vor Ort herstellen. So ab 1977 den kantig gestylte Sport. Sein Fahrwerk unterschied sich vom Chassis des Tour durch eine Zugschwinge mit tief angelenktem Federbein-Ausleger. Alsbald folgte der Tour-Ableger ST, sprich Super Tour mit spoilerartig gestalteter Nase und entsprechend geformten Heckdeckel. Mitte der 80er Jahre erhielten Tour/ST und der immerhin bis 1993 gebaute Sport ein komplett neues Fahrgestell aus Vierkantrohr mit einer Schubschwinge, die samt Federbein in die Radschüssel integriert war. Damit konnte der platzraubende Radkasten entfallen. Ebenfalls 1978 ließ EML den zierlichen und preisgünstigen Mini folgen.

Um den Familiengondel-Trend zu bedienen, schob EML 1979 den bis 1993 produzierten GT (1) nach. Die aus dem ST weiterentwickelte Gondel bot mit 16 cm zusätzlicher Breite deutlich mehr Platz. Mit der 1986 erfolgten Umstellung des Programms von den zahlreichen Rundrohrrahmen auf nunmehr drei Vierkantrohr-Chassis mit einheitlicher geschobener Kurzschwinge löste der GT2 den Ur-Anderthalbsitzer ab. Ihm zur Seite gestellt wurde der längere GTE sowie die Zweisitzer GT3 und GT3E – wahlweise mit Rädern in 14 Zoll. Zur Ifma 1994 präsentierte EML dann mit CT / GT und Speed 2000 eine komplett neue Modell-Linie.

Bald entstanden Umbauten für die Honda CB 750 Four, Gold Wing und CX 500 C, die Yamaha XS 1100, die Suzuki GS 850/1000/1100 G und die Kawasaki Z 1300. Aber auch die Ducati 860/900 SD waren ein Thema.

Ob biederer Allrounder, schnittiger Sportler oder komfortorientierter Supertourer – mit seinem ständig erweiterten Kit- und Beiwagenprogramm deckte EML sukzessive ein breites Spektrum ab. Dabei setzten die Niederländer mit ihrer Achsschenkellenkung, der Extenso-Dive-Vordergabel oder dem zweirädrigen Beiwagen „GT Twin“ immer wieder Akzente. Schon lange vor dem Tod von Firmengründer Hennie hatte sich EML jedoch aus dem kostenintensiven und wenig gewinnbringenden MX-Geschäft zurückgezogen. Die Marke war mittlerweile hinreichend bekannt.

Als der Gespann-Boom mit dem Jahrtausendwechsel etwas abflaute, musste EML seine auf Stückzahlen ausgelegte Strategie anpassen. Neue Fahrwerkkits gab es immer seltener, als letzter neuer Seitenwagen erschien der S1 Roadster 2005.

Vor diesem Hintergrund forcierten die Winkelhuis-Söhne Remco und Marco ihr Engagement im Moto-Trike-Markt. Mit einem ansehnlichen Maschinenpark kann das Unternehmen seit Jahren auch die Entwicklung und Serienproduktion anderer Industrie-Aufträge realisieren.

Dennoch dürfte W-Tec/EML der Gespannszene erhalten bleiben. Letzte Entwicklungen (2022) im Gespann-Bereich waren Bausätze für die BMW R 1250 GS und die neue Gold Wing.
(Textauszüge aus einem Beitrag von Axel Koenigsbeck in MG 196)

In den Anfangsjahren wurden in Deutschland alle EML-Gespanne in Berlin zugelassen.

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Oben: EML Wettbewerbsgespann der Brüder Hartmann.

 

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Mit den 15"-Rädern auf Rohrspeichenfelgen läutete EML in den 1980er Jahren eine neue Ära des Gespannfahres ein. Abgebildet ist das EML-Sport-Boot.

 

Es folgte von EML das Verbundrad. Konstruktion von Achsschenkellenkungen und Spezial-Vorderradgabeln. Gespannhersteller mit Serienproduktion.

Am 09. August 1999 wechselte der Besitzer, EML Engineering Holland BV. Der neue Direktor der Firma wurde Marc B.B. Gebbink.

Nach dem Verkauf von EML gründete Winkelhuis die Firma W-Tec, die ausschließlich Offroad-Quads und -Gespanne entwickelte. Das von der Familie Winkelhuis in der Folge zurückgekaufte Stammunternehmen EML wurde in W-Tec überführt und steht heute mit allen Geschäftszweigen unter der Leitung von Winkelhuis` Söhnen Remco und Marco. Die Beiwagen werden heute noch unter der Bezeichnung EML angeboten.

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Abb.: Aus den Anfängen. R 90/6 mit der ersten Version des Tour, noch ohne Bremse am Beiwagen.

 

Beiwagenmodelle: