Drehmoment und Hebel

 

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Abb. oben
M = Drehmoment in Nm
F = Kraft in N
L = Länge in Meter

 

Von einem Drehmoment (M) spricht man, wenn eine Kraft (F) auf einem Hebelarm wirkt. Dabei wird die Länge (l) des Hebels vom Drehpunkt bis zum Angriffspunkt der Kraft gemessen (siehe Abb. 4.17). Die Richtung der Kraft am Hebelarm bestimmt die Drehrichtung des Moments. So unterscheidet man rechts – und linksdrehende Momente.

 

M = F x L

 

Wird ein bestimmtes Drehmoment über eine Welle auf einen Hebel übertragen, wirkt am Ende des Hebels eine Kraft, die sich nach der Formel errechnen lässt.

 

F = M

l

 

Greifen an einem Hebelsystem mehrere Kräfte an, gilt folgende Regel:

 

Am Hebel herrscht Gleichgewicht, wenn die Summen der linksdrehenden Momente (M2) gleich der Summe der rechtsdrehenden Momente (M1) ist.

F1 x L1 = F2 x L2

 

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Abb. oben
F = Kraft in N
L = Hebellängen
M = rechts- oder linksdrehende Momente

 

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Ein Ungleichgewicht am Hebelsystem führt zu einer Bewegung (aus dem Zustand des Stillstandes heraus) oder zu einer Bewegungsänderung (Beschleunigung oder Verzögerung).

Wenn wir folgende Werte annehmen und in eine „Kraftskizze“ eintragen, können wir damit rechnen (siehe Abb. 4.19).

 

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Nehmen wir an, die obige zeigt ein Gespann, das durch eine Rechtskurve fährt, deren Kurvenradius 30 m beträgt. Am Schwerpunkt, der rechts vom Fahrer liegt, greift dabei eine Fliehkraft an, deren Größe von der Geschwindigkeit und der Gesamtmasse des Fahrzeugs abhängig ist. Für dieses Beispiel nehmen wir folgende Fahrgeschwindigkeit (v) an:

 

v = 75 km/h

3,6

 

Gesamtmasse (Fges) beträgt

Fges = 400 kg

 

Die Größe der Fliehkraft lässt sich nach folgender Formel berechnen:

 

Ff = m x v2

r

 

Darin bedeuten:

Ff = Fliehkraft in N
M = Masse in kg

V = Kurvengeschwindigkeit in m/s

R = Kurvenradius in m

 

Berechnung der Fliehkraft :

Ff = 400 kg x 20,8 m/s x 20,8 m/s = 5769 N

30 m

 

Wenn der Schwerpunkt (h) 0,6 m über der Fahrbahn liegt, so erzeugt die Fliehkraft ein linksdrehendes Moment um die Kipplinie, (Verbindungslinie der Aufstandspunkte der Maschinenräder) das sich berechnet

 

5769 N x 0,6 m = 3461 Nm

 

Der Abstand des Schwerpunktes von der Maschinenhochachse (Maß lm in Abb. 4.03) beträgt 0,25 m. Daraus lässt sich das rechtsdrehende Moment berechnen, welches die Schwerkraft über den Hebelarm lm erzeugt.

Daraus ergibt sich ein rechtsdrehendes Moment von 981 Nm.

 

Das Ergebnis zeigt, dass das durch die Fliehkraft verursachte linksdrehende Moment

 

3461 Nm - 981 Nm = 2480 Nm größer ist als das rechtsdrehende.

 

Der Seitenwagen wird vom Boden abheben. Das Gespann wird weiter nach links kippen, wenn nicht Gegenmaßnahmen eingeleitet werden: Verlagerung des Schwerpunktes durch Fahrer oder Beiwagenpassagier, Verringerung der Geschwindigkeit, Vergrößerung des Kurvenradiuses.

 

Es wäre natürlich bequemer, die Kurve mit der einer Geschwindigkeit anzugehen, bei der keine Kippgefahr besteht, also bei einem Gleichgewicht zwischen links- und rechtsdrehenden Momenten. In unserem Rechenbeispiel beträgt sie 40 km/h. Sowie diese Geschwindigkeit nur geringfügig erhöht wird, wird sich der Seitenwagen anheben. Wenn man weiß, wie es sich „anfühlt“ geschieht es langsam und der Gespannfahrer kann beim Durchfahren der Kurve mit dem Schwerpunkt spielen und das Gespann gut ausbalancieren.

 

((Bild HB S. 107))
Abb. 4.20
Ohne Gegenmaßnahmen siegt die Schwerkraft und das Gespann kippt nach links.

 

Steigt der Seitenwagen weiter nach oben, erzeugt die Schwerkraft über den Hebelarm l1 ein zusätzliches linksdrehendes Moment, das sofort zum Kippen des Gespannes führt. In der Rechtskurve ist es möglich den Seitenwagen bis zur Kippgrenze anzuheben und auch wieder abzusenken.

 

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Links herum

Wer glaubt, die Gefahr des Kippens besteht nur in der Rechtskurve, der irrt sich. In Linkskurven stützt das durch die Fliehkraft erzeugte rechtsdrehende Moment sich nicht direkt auf das Beiwagenrad ab – was Ideal wäre.

In der Linkskurve wirkt die Aufstandslinie von Vorder- und Seitenwagenrad als Kipplinie. Die Fliehkraft wirkt vom Schwerpunkt aus im rechten Winkel auf die Kipplinie – also ungefähr in der Mitte zwischen Vorder- und Beiwagenrad.

Der Hebelarm mit dem die Schwerkraft wirkt und der das Gespann „auf den Boden hält“, ist um das Doppelte bis das Dreifache länger als in der Rechtskurve.

 

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Abb. oben
Die Linie die Vorder- und Beiwagenrad verbindet, ist die Kipplinie in der Linkskurve.
Man sieht auf der Skizze deutlich, dass der Vorlauf (0,25 m) des Beiwagenrades die Kipplinie verändert. Die Punkte 3 und 5 zeigen die Schwerpunktlagen von Abb. 4.14 in der Draufsicht.

 

Nehmen wir mal an, wir fahren mit einem leichten Gespann eine extrem enge Kurve von 6 m Radius mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h, das typische Wenden auf der Straße. Nach den oben dargestellten Formeln ist die maximal mögliche Kurvengeschwindigkeit 25 km/h. Nur ein bisschen schneller und das Gespann kippt.

 

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Abb. oben
Hat sich das Gespann in einer zu schnellen Linkskurve so weit aufgestellt, kann man von Glück reden wenn es nicht zum Überschlag kommt.
Zuerst hebt das Hinterrad ab. Sobald die Bootsschnauze den Asphalt berührt wird das Beiwagenrad entlastet und hebt ebenfalls ab. Hier ist es noch mal gut gegangen, das Gespann war nicht zu schnell, es fiel in dieser Situation wieder zurück auf das Hinterrad.

Bei höherer Geschwindigkeit, hätte als nächstes das Vorderrad abgehoben (Point of no Return) und der Überschlag wäre erfolgt. Übrigens sollte man sich keine Hoffnung machen in einer solchen Situation das Gespann noch beherrschen zu können. Hätte sich das Gespann überschlagen, wäre vom Abheben des Hinterrades bis zum Abheben des Vorderrades weniger als eine Sekunde vergangen.

 

Setzt sich ein Mitfahrer auf den Sozius der Maschine, wird der wirksame Hebelarm der Schwerkraft größer. Gleichzeitig wird auch noch die Lage des Schwerpunkts nach oben verschoben. Der Hebel der Fliehkraft wird länger und die Kippneigung nimmt zu.

 

Um diesen Effekt zu verringern, legen sich die Beifahrer im Motorsport in der Linkskurve zwar ihr Gewicht weit nach links, aber gleichzeitig versuchen sie so dicht wie möglich an den Asphalt zu bringen. Diese „Turnerei“ hat einzig den Zweck den Abstand des Schwerpunktes zur Fahrbahn so klein wie möglich zu halten.

 

[image]Auf nebenstehender Abb. sehen Sie, dass der Vorlauf eine Verlängerung des Hebels für die Schwerkraft bringt. Bei einem leichten Gespann mit wenig Spurbreite sind die Verhältnisse, was das Kippen anbelangt, ungünstig. Bei großen Gespannen mit Spurweiten von 1,40 m und verlängerten Radständen sind höhere Kurvengeschwindigkeiten möglich. Doch die Physik lässt sich nicht überlisten, umkippen kann man mit jedem Fahrzeug.

 

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Anmerkung: 2008 gab Gespannfahrer-Urgestein Edmund Peikert sämtliche Unterlagen aus dem “Leitfaden für Gespannfahrer” an Bernhard Götz um damit weiterzuarbeiten.